Wie könnten wir die Geschichte des Abfalls erzählen, ohne zuerst einen Blick auf die Gegenwart zu werfen? Wie könnten wir über Abfall sprechen, ohne über die Menschen zu reden, die damit arbeiten? Wie könnte man eine Ausstellung über Müll schaffen, ohne dafür echte Experten zurate zu ziehen? Diejenigen, die sich um die Abfallbewirtschaftung und -reduzierung in Brüssel kümmern, haben uns ihre Türen geöffnet und uns an ihrem Wissen teilhaben lassen.
2020 begann das Haus der Europäischen Geschichte mit der Gestaltung seiner fünften Wechselausstellung, die Abfall in Europa aus historischer Sicht beleuchten sollte. „Ausgedient. Die Geschichte der modernen Wegwerfgesellschaft“ sollte mehr als nur eine Ausstellung sein: Es sollte ein vielschichtiges Museumsprojekt werden, das auf Beteiligung setzt und bei dem nicht nur Kuratoren und Historiker zu Wort kommen.
Der Wunsch, auch andere Menschen einzubeziehen, entstand bereits in der Anfangsphase: Bei einer Ausstellung, bei der Abfall im Mittelpunkt steht – dieser sichtbarste, greifbarste und wahrnehmbarste Aspekt der Umweltkrise –, muss man doch auch diejenigen einbinden, die damit arbeiten! Die Recherche sollte über Archive oder wissenschaftliche Quellen hinaus gehen. Wir wollten echte Experten zurate ziehen: diejenigen, die sich um die Sauberkeit unserer Stadt kümmern. Diejenigen, die durch Reparieren oder Wiederverwenden große Mengen an Abfall einsparen. Diejenigen, die sich in Verzicht üben oder möglichst gar keinen Abfall verursachen wollen – also auf „Zero-Waste“ setzen. All diese Frauen und Männer, Bürgerinnen und Bürger, Freiwillige und engagierte Fachkräfte wollten wir zu Wort kommen lassen.
Diese Menschen haben uns ihre Zeit geschenkt und ihr Wissen, ihre Erinnerungen und ihre Gedanken mit uns geteilt. Von ihnen haben wir gelernt, was man nicht aus Büchern lernen kann.

Wir konnten diese 52 Expertinnen und Experten nur finden, weil die Einrichtungen, für die sie arbeiten oder bei denen sie ehrenamtlich tätig sind, uns ihre Türen öffneten. Unsere Partner in diesem Projekt waren:
Bruxelles-Propreté: für ein sauberes Brüssel
Bruxelles-Propreté ist die für die Region Brüssel-Hauptstadt zuständige öffentliche Stelle. Ihre Aufgabe ist es, die Stadt sauberer zu machen: Sie sammelt und behandelt Abfall, hält die Straßen sauber und bietet pädagogisch wertvolle Aktivitäten an. Das Haus der Europäischen Geschichte hatte die Gelegenheit, mit einigen Menschen zu sprechen, die sich für Bruxelles-Propreté um Abfallsammlung oder Reinigung kümmern oder gegen Verstöße im Zusammenhang mit Entsorgung vorgehen.
Bruxelles Ville – Travaux de Voirie / Cellule Propreté Publique: Straßenarbeit und öffentliche Sauberkeit in Brüssel
Der öffentliche Reinigungsdienst der Stadt Brüssel ist für verschiedene Bereiche zuständig: Er säubert nicht nur die Straßen, leert öffentliche Abfalleimer und entfernt illegale Abfälle, sondern reinigt auch Abwasserkanäle und kümmert sich um Pissoirs, öffentliche Toiletten und Freilaufflächen für Hunde. Außerdem säubert er öffentliche Bereiche während oder nach Märkten oder anderen Veranstaltungen. Das Haus der Europäischen Geschichte besuchte die Menschen, die die Straßen Brüssels kehren und säubern, bei sich zuhause.
Les Petits Riens: nachhaltiger Kampf gegen Armut
Les Petits Riens ist seit 85 Jahren Vorreiter im Bereich Sozial- und Solidarwirtschaft. Seine wirtschaftliche Tätigkeit – das Sammeln, Sortieren und Verkaufen von Gebrauchtem – wirkt sich positiv auf die Umwelt aus: Dinge, die sonst vorzeitig weggeworfen worden wären, bekommen so ein zweites Leben. Ganz nebenbei ermöglicht Les Petits Riens dabei die soziale und berufliche Integration von über 500 Menschen pro Jahr. Die Gewinne aus den Verkäufen fließen in soziale Initiativen in den Bereichen Wohnraum und Beschäftigung und in die tägliche Unterstützung jener, die es am meisten brauchen.
Repair Together: gemeinsam reparieren
Repair Together wurde 2013 ins Leben gerufen – nur einige Monate, nachdem in Ixelles 2012 das erste Repair-Café Belgiens eröffnete. Seitdem unterstützt der soziale, solidarische und umweltfreundliche Verein die Entstehung neuer lokaler und von der Bevölkerung angestoßener Initiativen für mehr Reparierbarkeit, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Repair Together brachte das Haus der Europäischen Geschichte mit Freiwilligen zusammen, die in mehreren Reparaturtreffs im Raum Brüssel Gegenständen neues Leben einhauchen, die sonst auf dem Müll landen würden.
WORMS – Waste Organic Recycling & Management Solutions: Verwertung organischer Abfälle
Die gemeinnützige Organisation WORMS macht sich für die Verwertung aller Arten organischer Abfälle stark. Dabei setzt sie auf überschaubare und maßgeschneiderte Schulungen und Aktivitäten zur Bewusstseinsbildung. Mit Blick auf Kompostierung bringt WORMS so einiges voran: Was sich in Haushalten bewährt hat, münzt die gemeinnützige Organisation auf verschiedene Bereiche um und fördert so etwa das Kompostieren in Gärten, Wohnungen, Parks, Schulen oder Catering. Brussels Environment – die in der Region Brüssel-Hauptstadt für Umwelt- und Energiefragen zuständige öffentliche Stelle – vertraute WORMS unter anderem die Betreuung zweier Bürgernetzwerke für Kompostierung an: das Netz für Gemeinschaftskompost mit über 200 Mitgliedern in der Region Brüssel und das Netz der sogenannten Kompostführer, über das freiwillige Botschafterinnen und Botschafter ihre Erfahrung im Bereich Kompostierung teilen. Letztere sprachen mit dem Haus der Europäischen Geschichte über ihre Tätigkeit.
Zero Waste Belgium: Abfall vermeiden, bevor er entsteht
Zero Waste Belgium hat sich zum Ziel gesetzt, das Bewusstsein für die Abfallproblematik zu schärfen und Abfallvermeidung zu fördern. Es unterstützt Einzelpersonen und Organisationen dabei, weniger Müll zu verursachen, und berichtet über aktuelle Entwicklungen und praktische Erfahrungen. Auf diese Weise bringt es die Zero-Waste-Bewegung im großen Stil voran. Die gemeinnützige Organisation ist Mitglied des Netzwerks „Zero Waste Europe“. Ihre Mitarbeiter und mehrere Freiwillige sprachen mit dem Haus der Europäischen Geschichte über die Werte, die sie antreiben: Bürgerbeteiligung, Ökologie, Verzicht und Gesundheit.